Schmerzgrenzen im Sport überwinden

Schmerzgrenzen im Sport überwinden

Schmerzen gehören im Sport dazu. Ein eindrückliches Beispiel zeigte sich bei der Tour de France 1997: Der Radfahrer Udo Bölts des Team Telekom feuerte seinen Teamkollegen Jan Ullrich bei einer Bergetappe mit: „Quäl dich, du Sau!“ an. Ein Satz, der das Thema Schmerzen im Sport schonungslos zusammenfasst. Fotografien dieser Etappe zeigen die verkniffenen Gesichter beider Radfahrer; man spürt beim Anblick das Brennen in ihren Beinen. Wie lassen sich Schmerzen aber länger aushalten?

Beim Tennisspieler Rafael Nadal lässt sich häufig beobachten, dass Pflaster und Tape-Bänder die Finger seiner Spielhand zieren – ein Schutz vor offenen Wunden. Der deutsche Fussballer Franz Beckenbauer spielte bei der WM 1970 während des „Jahrhundertspiels“ gegen Italien mit Bandagen, nachdem ihm im Spiel seine ausgekugelte Schulter wieder eingerenkt wurde. Wie sich anhand der Beispiele zeigt, ist der Körper zäh und die mentale Stärke vergrössert die Schmerztoleranz um ein Vielfaches. Doch wie erreichen die Besten der Besten im Sport diesen Zustand, der bewusst über jegliche Schmerzgrenzen hinausgeht und letztlich den Unterschied zwischen Top und Flop ausmacht?

Wer selbst einmal einen Marathon lief, stellte sich vielleicht selbst unter Erschöpfung und Schmerzen die Frage „Warum tue ich mir das an?“ Doch nach dem Zieleinlauf ist dann alles vorbei und es bleibt eine Erinnerung, bei der man (ausnahmsweise) mal an seine äusserste Schmerzgrenze ging. Für ambitionierte Sportler sind hingegen Schmerzen und die eigene Schmerzgrenze im Wettkampf und Training „Alltag“. Zudem ist die Schmerzgrenze das Mass aller Dinge, welches – nüchtern betrachtet – neben allen anderen Kontrahenten über Sieg und Niederlage entscheidet und im Leistungssport ein wiederkehrendes Ereignis für den Athleten ist.

Umso wichtiger ist es, sich als Athlet, Trainer und Mentalcoach mit dem „Gefühl Schmerz“ näher auseinandersetzen. Denn es gilt eines sicher zu beherzigen: Im Alltag ist der Umgang mit Schmerzen eher instinktiv. Das Ziel ist, sich „Schmerz-frei“ und körperlich wohlzufühlen. Doch im Sport sind Schmerzen Mittel zum Zweck und machen einen Teil des erfolgreichen Profisports aus. Um diesen kalkulierten und bewussten Umgang mit Schmerz geht es in diesem Artikel.

Wir geben Dir 6 Tipps, wie aus mentaler Sicht die sportliche Leistung eines Athleten in geplanter Art über den Schmerz hinaus gesteigert wird. Wir betrachten hierfür nacheinander:

  • Welche Funktion hat Schmerz?
  • Wie steht Schmerz mit einer natürlichen körperlichen Leistungssteigerung im Zusammenhang?
  • Sportler tolerieren mehr Schmerz als Nicht-Sportler
  • 6 Tipps, wie die sportliche Leistung mit und über den Schmerz hinaus gesteigert wird
  • Resümee

Welche Funktion hat Schmerz?

Die IASP (International Association for the Study of Pain) definiert Schmerz in folgender Weise:

„[Schmerz ist eine] unangenehme sensorische und emotionale Erfahrung, die mit einer tatsächlichen oder potenziellen Gewebeschädigung verbunden ist oder dieser ähnelt.“

Es ist somit grundsätzlich wichtig, Schmerzen zu haben. Schmerz signalisiert eine (potenzielle) Gefährdung für den Körper und dass etwas nicht mehr im Gleichgewicht ist. Er leistet somit eine schützende und warnende Funktion für den Körper und hat schliesslich die Funktion, vor ernsthaften körperlichen und langfristigen Schäden zu schützen.

Interessant ist allerdings hierbei, dass Schmerz ebenfalls den Körper dazu motiviert, Massnahmen zu ergreifen, um künftigen schmerzhaften Belastungen vorzubeugen. Ein Beispiel ist das gewöhnliche Muskeltraining, bei welchem Schmerz Aufbauprozesse im Körper anstösst, aus denen zwangsläufig eine Leistungssteigerung folgt. Diesen bewussten Einsatz von Schmerz und wie sich der Muskel aufbaut, beschreiben wir im nächsten Abschnitt.


Quellen: vgl. IASP, (2020); vgl. Luerweg (2020); vgl. Redaktion Fit for Life (2021); vgl. Sayer (2023)

Wie steht Schmerz mit einer natürlichen körperlichen Leistungssteigerung im Zusammenhang?

Muskelaufbau (Muskelhypertrophie)

Wer schon mal im Fitnessstudio Gewichte gestemmt hat, weiss, dass nach einer bestimmten Anzahl an Wiederholungen die Kraft nachlässt. Durch die Wiederholungen ermüdet der Muskel und es fängt an zu schmerzen. Doch es wird dann mit zunehmendem Schmerz weitertrainiert und der Muskel wird weiterhin durch die Kraftübung beansprucht.

Was bei der Ermüdung des Muskels passiert, ist, dass er beschädigt wird. Der Körper reagiert darauf, indem er den Muskel repariert und zusätzlich etwas verstärkt. Dieser Prozess (d. h. Reparieren und Verstärken) wird «Superkompensation» genannt. Im Rahmen der Superkompensation baut der Körper den Muskel auf, legt an Muskelmasse zu und passt sich dadurch der Belastung an.

Ausschlaggebend ist, dass der Muskel ein bestimmtes Mass an Belastung zunächst überschreiten und unter diesem Schmerz beschädigt werden muss, um den Muskelaufbau anzustossen. Der Belastungsreiz muss somit „überschwellig“ sein. Wer also langfristig Muskeln aufbauen will, trainiert permanent überschwellig und erweitert damit auch seine Leistungs- sowie Schmerzgrenze.

Am Beispiel des Muskelaufbaus wird deutlich, dass es im Sport ohne Schmerzen nicht geht. Allerdings muss auch festgehalten werden, dass es sich im sportlichen Kontext sowohl um einen bewussten und kalkulierten Umgang als auch um einen gezielten Einsatz von Schmerzen handelt. Auf diese Weise wird grundsätzlich der Körper für ein sportliches Ziel und für die damit verbundene körperliche Belastung entwickelt.

Von entscheidender Bedeutung ist, dass mit dem Training die Leistungs- und Schmerzgrenze ausgebaut wird. Athleten (und Sportler generell) halten mehr Schmerzen als Nicht-Sportler aus. Das ist hervorragend nachgewiesen und wird im nächsten Abschnitt anhand von zwei Studien belegt.


Quellen: vgl. Boeckh-Behrens & Buskies (2000); vgl. Pohl (2019); vgl. Redaktion Fit for Life (2021); vgl. Röcker (2021)

Sportler tolerieren mehr Schmerz als Nicht-Sportler

Studie #1

Aufbau
Der Forscher Anders Pedersen Arnes ging der Frage nach, inwieweit eine regelmässige körperliche Betätigung die Schmerzwahrnehmung beeinflusst.

An der Studie nahmen ca. 11’000 Menschen teil. Anhand eines Fragebogens teilten die Studienteilnehmenden den Umfang ihrer körperlichen Aktivität mit (sitzend, leicht, mässig, stark). Ihre Schmerzwahrnehmung wurde über einen Kaltdrucktest ermittelt. Dabei wird eine Hand in etwa 3 Grad kaltes Wasser gehalten; je länger jemand die Hand im Wasser halten kann, umso grösser ist seine Schmerztoleranz.

Ergebnis
Beim Vergleich zwischen der körperlichen Aktivität und dem Kaltdrucktest zeigte sich im Ergebnis sehr deutlich: Je körperlich aktiver die Studienteilnehmenden waren, umso länger konnten sie den Kaltdrucktest aushalten.

Zu einem ähnlich bemerkenswerten Ergebnis kam man bei einem Folgetest, der sieben Jahre später mit den gleichen Studienteilnehmenden durchgeführt wurde. Jene, die nach dem ersten Test körperlich aktiv blieben oder im Verlauf dieser Zeit aktiver wurden, schnitten in diesem zweiten Test (sieben Jahre später) besser ab, als diejenigen, die eine niedrige Bewegungsaktivität hatten.

Erklärung
Als Erklärung für die steigende Schmerztoleranz bei körperlicher Aktivität erläutert Arnes, dass durch körperliche Aktivitäten Substanzen in unserem Nervensystem freigesetzt werden, die schmerzhemmend wirken. Und zudem verändert sich auch die psychologische Verarbeitung von körperlichem resp. emotionalem Schmerz. Das Gehirn stellt sich ebenfalls auf Belastungen um, sodass der empfundene Schmerz bei körperlicher Aktivität weniger „dramatisiert“ wird.


Quellen: vgl. Arnes (2023)

Studie #2

Aufbau
Dr. Jonas Tesarz der Universität Heidelberg widmete sich ebenfalls den Unterschieden der Schmerztoleranz zwischen Sportlern und Nicht-Sportlern. Er wertete mit seinem Forscherteam 15 internationale Studien aus (Europa, Australien, Kanada, USA). Darin waren 568 Athleten und 331 normal aktive Sportler enthalten. Die sportlich-körperliche Aktivität reichte von Ausdauersport über Kraftsport bis zu Ballsportarten. Die wöchentliche Trainingsdauer der Athleten betrug durchschnittlich 6 Stunden. Die Schmerztoleranz wurde wahlweise durch einen Kaltdrucktest gemessen oder indem Finger der Studienteilnehmenden eingeklemmt wurden.

Ergebnis
Die Schmerztoleranz der Athleten war im Vergleich zu den normal aktiven Sportlern deutlich höher. Bemerkenswert war hierzu, dass die Ballsportler die höchste Schmerztoleranz zeigten, gefolgt von den Ausdauersportlern und Kraftsportlern.

Erklärung
Dr. Tesarz schlussfolgert aus den Studien, dass ambitionierte Athleten per se eine andere Einstellung zu Schmerzen haben und diese als weniger dominant wahrnehmen. In diesem Zusammenhang merkt er allerdings kritisch an, dass es durch die steigende Schmerztoleranz dazu verlockt, die Belastungsgrenzen des Körpers zu übersteigen. Ein gutes Körpergefühl ist daher elementar.


Quellen: vgl. Tesarz (2012)

Zwischenfazit aus Studie 1 & 2

Die Schmerztoleranz von Menschen steigert sich durch körperliches Training. Wie anhand des Muskeltrainings zu sehen ist, wird allein schon auf rein biologische Weise die Schmerztoleranz und Belastungsfähigkeit erhöht. Dennoch kann der Schmerz im Sport nicht ausgeschaltet werden. 

Dies macht dementsprechend ein Sport-Mentaltraining sinnvoll, um der körperlichen Leistungssteigerung die notwendige mentale Leistungssteigerung anzuschliessen. Denn ist körperlich ein geeignetes Wettbewerbsniveau erreicht, geht es sowohl um die Überwindung mentaler Hürden als auch um die Herrschaft seiner Schmerzgrenzen.

Dazu im nächsten Abschnitt 6 Tipps, wie die Leistung kontrolliert an die Schmerzgrenze und darüber hinaus gesteigert wird.

6 Tipps, wie die sportliche Leistung mit und über den Schmerz hinaus gesteigert wird

1. Positive Informationen/Gedanken vor der sportlichen Leistung steigern die Schmerztoleranz

Die Schmerztoleranz eines Sportlers kann durch positive Informationen gesteigert werden, die er vor einer sportlichen Leistung resp. Belastung erhält. Eine im Jahr 2020 veröffentlichte Studie zeigt dies anhand einer Hock-Übung (engl. «Squat»):

Aufbau
Es wurden 83 Studienteilnehmenden in drei Gruppen unterteilt; die Gruppen bekamen vor Ausführung der Hock-Übung entweder positiv, neutral oder negativ zugesprochen.

  • Der „positiven Gruppe“ wurde gesagt, dass die Squat-Übung das Schmerzempfinden verringert.
  • Die „neutrale Gruppe“ bekam neutrale Anweisungen zur Übung.
  • Der „negativen Gruppe“ wurde gesagt, dass die Squat-Übung voraussichtlich zuvor und danach Schmerzen erzeugt.

Die Studienteilnehmenden trainierten daraufhin für 30 Minuten.

Ergebnis
Bei denjenigen, die positive Informationen zugesprochen bekamen, stieg die Schmerztoleranz um 22 %. Bei denjenigen, denen man negative Informationen zusprach, sank die Schmerzgrenze um 4 %. Mit anderen Worten formuliert: Die „negative Gruppe“ empfand mehr Schmerzen während der Ausführung der Übung, und dies aufgrund der negativen Informationen, die sie kurz vor Ausführung über die Übung erhielten.

Umsetzung & Take-away
Für Trainer/Mentalcoaches biete sich an, Trainingsbedingungen und die Ausführung von Sportübungen in einen positiven Rahmen zu setzen. Besonders für solche, die an oder über Schmerzgrenzen hinausgehen. Hierfür eignet sich eine Methode aus dem NLP (Neurolinguistisches Programmieren). Sie heisst «Bedeutungs-Reframing» (engl. frame = Rahmen). Einem negativ gesehenem Umstand wird eine positive Bedeutung gegeben. Auf das Trainings-Setting übertragen: Dem Trainings- oder Wettkampfschmerz wird eine positive und schmerzlindernde Bedeutung gegeben, um dadurch die Konzentration auf die positiven Aspekte des Schmerzes zu lenken.

Hier einige Beispiele:

  • „Ich bin bereit für das kommende Training, welches mich wieder meinem Ziel einen Schritt näher bringt.“
  • „Der Schmerz signalisiert mir, dass sich mein Körper verändert und für die Spitze fit macht.“
  • „Ich fühle mich ruhig und konzentriert und ich werde heute in der Kraftübung besser performen, als das letzte Mal.“
  • „Heute ist ein neuer Tag und ich bin extrem gespannt, wie ich heute performe.“
  • „Ich höre auf meinen Körper und möchte heute erleben, wie ich mit der Belastung umgehe, wenn ich meinen Lauf von 75 Minuten auf 80 Minuten erhöhe.“


Quellen: vgl. Vaegter (2020)

2. Positive Mentale Bilder

Ein weiterer Antreiber für sportliche Höchstleistung und über den Schmerz hinaus sind positive mentale Bilder. Dies zeigt eine Studie aus dem Jahr 2016:

Aufbau
An der Studie nahmen 65 Tennisspieler teil. In einem ersten Durchgang einer Übung lasen sie eine Anweisung für eine Aufschlagübung durch. Diese beschrieb, wohin sie den Ball im Aufschlagfeld platzieren sollten und welche Resultate daraus folgen. Nachdem sie diese Anweisung gelesen hatten, führten die Tennisspieler 20 Aufschläge durch.

In einem zweiten Durchgang gab man den Tennisspielern nochmals eine Anweisung zu lesen. Dieses Mal war der Text aber ausgeschmückter und man ermutigte die Studienteilnehmenden dazu, sich beispielsweise zu Beginn schon vorzustellen, wie sie den Ball werfen oder wie sich die Aufschlagbewegung anfühle. Mit anderen Worten formuliert: Die Studienteilnehmenden konnten sich anhand der Anweisung vorab schon im Kopf ein inneres Bild der Aufschlagbewegung und -übung machen. Danach sollten sie dann nochmals 20 Aufschläge durchführen.

Ergebnis
Im Ergebnis zeigte sich, dass die Erfolgsquote des zweiten Durchganges höher ausfiel. Die Versuchsleiter der Studie stellten eine wichtige Erkenntnis heraus: Die schnelle Verbesserung, die von der ersten auf die zweite Durchführung stattfand, kann nicht auf ein zusätzliches Training zurückgeführt werden.

Umsetzung & Take-away
Das Ergebnis bestätigt frühere Studien, dass mentale Bilder im Sport zu gewünschten Ergebnissen führen (wie die Optimierung von Bewegungsabläufen, Steigerung der Konzentration und Aufmerksamkeit, die Verbesserung des eigenen Selbstvertrauens und die Leistungsbereitschaft).

Als Trainer/Mentalcoach ist die Arbeit mit mentalen Bildern essenziell. Aus dem NLP bietet es sich an, mit einem Athleten für seinen Umgang mit Trainings – resp. Wettkampfschmerzen eine innere Zielvorstellung sinnesspezifisch auszuarbeiten. „Sinnesspezifisch“ bedeutet, dass sich der Athlet anhand seiner 5 Sinne (Sehen, Hören, Fühlen, Riechen, Schmecken) eine lebhafte innere Vorstellung entwickelt, mit welcher er dem schmerzhaften Moment begegnet. Hierzu zwei Beispiele:

  • Beispiel 1: Ein Radfahrer sieht sich im schmerzvollen Trainings- oder Wettkampfmoment an einem kühlen und frischen Ort Rad fahren. Wie bei kühlen und entspannenden Wasserbäder fühlt er, wie blaues Wasser und dessen Kühle seine Muskeln umhüllt und erfrischt. Er riecht zudem frische und klare Bergluft und verspürt einen unterstützenden Rückenwind. Er hört seinen Lieblingssong und die Pedaltritte gleicht er dem schnellen Rhythmus des Liedes an. Zudem sieht er – ähnlich wie in einem Windkanal – wie der Wind in der Gestalt von weissen Fäden geschwind an ihm vorbeizieht.
  • Beispiel 2: Ein Marathonläufer stellt sich im schmerzvollen Trainings- oder Wettkampfmoment vor, so dynamisch und erhaben wie ein Strauss zu laufen. Er sieht, wie der Wind durch die Federn gleitet und diese nach hinten drückt. Er fühlt, dass seine Beine wie ein Uhrwerk laufen und fühlt dabei konzentriert in diesen harmonischen Bewegungsablauf hinein. Er hört eine Stimme in seinem Körper, die ihm abwechselnd zuspricht: „Flieg‘ geschwind. Du machst das sehr gut“ und „Ich bin zum Laufen geboren“. Seinen Atem passt er den Schritten an (4 Schritte einatmen, 4 Schritte ausatmen) und er stellt sich vor, wie die frische Luft direkt zu den Oberschenkeln fliesst und diese kühlt.

Athleten können durch positive mentale Bilder ihre Leistung nicht nur mental testen, sondern können sich auch vorstellen, wie sie ihr Training oder ihren Wettkampf erfolgreich absolvieren und dabei Beschwerden oder Schmerzen bewältigen.


Quellen: vgl. Blankert & Hamstra (2016); vgl. Bresler, D. (2011); vgl. Callow et al. (2001); vgl. Calmels et al. (2004); vgl. Hall (2011); vgl. Kaur, J. (2019); Williams (2013)

3. Positive Selbstgespräche mit gezielten Suggestionen

Neben positiven mentalen Bildern ist das positive Selbstgespräch ein weiterer essenzieller Bestandteil für sportliche Höchstleistungen. Positiv formulierte Suggestionen sind dabei wichtige Bausteine im Selbstgespräch während sportlicher Leistungen. Suggestionen sind Botschaften an sich selbst, um den gewünschten sportlichen Gedanken in die Tat umzusetzen.

Die Formulierung von Suggestionen hat eine bestimmte Form: Sie sind positiv und in der Gegenwart formuliert. Zudem nutzen sie eine aktive Sprache. Die Botschaft ist deutlich auf das gewünschte Ziel ausgerichtet. Zudem stehen Suggestionen in der Ich-Form und verzichten auf das Wort „nicht“.

Umsetzung & Take-away
Im Folgenden sind Beispiele aufgeführt, die exemplarisch als „Motivationsformeln“ für den schmerzvollen Belastungsmoment formuliert sind:

  • (Im Training) „Ich bringe mich in Höchstform und schliesse Stück für Stück zu den Besten der Besten auf.“
  • (Im Training) „Ich durchschreite diesen Moment und weiss, dass dies der richtige Weg zu meiner Goldmedaille ist.“
  • (Im Training) „Ich bin meinem sportlichen Ziel und mir treu – ich habe volles Vertrauen in mich, meinen Weg und meinen Körper.“
  • (Im Wettkampf: Radfahren) „Ich steche als Beste hervor und brenne voller Leidenschaft für den Sieg.“
  • (Im Wettkampf: Fussball) „80 Minuten gespielt und ich weiss, jetzt wird Sportgeschichte geschrieben.“

Positive Worte und Gedanken aktivieren die Motivationszentren in unserem Gehirn. Das hat unterstützende Effekte: Die Widerstandsfähigkeit (Resilienz) und das Selbstvertrauen steigt. Zudem erhöht sich die persönliche Überzeugung, aus eigener Kraft herausfordernde Situationen erfolgreich zu meistern (Selbstwirksamkeit).


Q
uellen: vgl. Wallace, P. J. et al. (2017); vgl. Walter, N. et al. (2019)

4. Zielsetzung und Förderplanung

Als Trainer/Mentalcoach ist es sinnvoll, mit seinem Schützling konkret an sportlichen Zielen zu arbeiten. Eine Vielzahl von Studien hat gezeigt, dass die Formulierung von Zielen ein wichtiger und wertvoller Prozess ist, der das sportliche Leistungsvermögen von Athleten steigert (vgl. Hearly, L. C. et al. (2018); Williamson et al. (2022)).

Ferner helfen klare Ziele dabei, sich auf den Entwicklungsprozess sowie auf die Leistungsverbesserung zu konzentrieren – und eben nicht auf den Schmerz. Im Folgenden sind zwei Ansätze beschrieben, wie ein Ziel zum inneren Antreiben eines Athleten wird.

Benchmark (Das Muss-Profil)
Ein erster Ansatzpunkt ist, aktuelle Bestleistungen für die eigene sportliche Zielsetzung zu berücksichtigen. Sie zeigen, welche Fähigkeiten und Kompetenzen unbedingt erforderlich sind, um die Sportart auf dem gewünschten Niveau auszuüben. Kurz gesagt: Wo liegt die derzeitige Bestzeit im 100m-Sprint? Was ist das derzeitige Maximalgewicht im Gewichtheben? etc.

Mit diesen Richtwerten lassen sich kleinere Etappenziele bestimmen, Rahmenbedingungen schaffen (wie z. B. Ernährungspläne und Ruhephasen) sowie eine längerfristige Trainings- und Wettkampfplanung aufstellen.

Ist-Profil und Ziel-Profil
Wie weiter oben im Artikel schon erwähnt, ist neben der körperlichen Entwicklung die parallele Entwicklung der mentalen Stärke zur Schmerztoleranz essenziell. Mit einer Skala von 1 bis 10 kann etwa ein Vergleich zwischen dem momentanen Ist-Zustand und dem angestrebten Ziel-Zustand vorgenommen werden. Eine Durchführung sähe wie folgt aus:

  • Der Athlet schätzt seine Schlüsselkompetenz „Schmerztoleranz“ auf einer Skala von 1 bis 10 ein; dies könnte beispielsweise eine 4 sein. Anschliessend schätzt er in realistischer Weise ein, auf welchen Wert er sich als Nächstes verbessert; dies könnte eine 6 sein. Danach reflektiert er schriftlich folgende Punkte, um sich sein Ziel sehr bewusst zu machen:
    1. Wofür will ich mich in dieser Schlüsselkompetenz verbessern?
    2. Was genau verbessere ich?
    3. Wie genau verbessere ich mich?
    4. Wie messe ich meine Verbesserung?
    5. Woher merke ich, dass ich mich verbessert habe?

Aus dieser Selbstreflexion können wiederum Trainings- und Umsetzungsmassnahmen eingeplant werden. Ferner unterstützen Selbstreflexionen und Zielsetzungen den Athleten dabei, seine Motivation aufrechtzuerhalten sowie kurzfristig und langfristig „auf Kurs“ zu bleiben.


Quellen: vgl. Bird, M. D. et al. (2022); vgl. Hearly, L. C. et al. (2018); Williamson et al. (2022)

5. Atmung während der sportlichen Belastung

Atmen ist eine unverzichtbare Körperfunktion des Menschen. Besonders im Sport kann die Atmung sehr viel bewirken: Sie beeinträchtigt aus physiologischer Sicht die körperliche Leistungsfähigkeit und reguliert den psychischen Zustand des Sportlers. Bei Schmerzen ist Körper und Geist gleichermassen gefordert und über Atemübungen lässt sich der Körper und Geist regulieren. Rufen wir uns hierzu in Erinnerung: Die Muskelfunktion ist u. a. von der Sauerstoffzufuhr abhängig. In Anlehnung an eine Studie aus dem Jahr 2023 empfiehlt sich somit Folgendes:

Es ist von Vorteil, ein konstantes und gesteuertes Atemmuster einzuhalten. Dies unterstützt die Regulierung des Sauerstoff- und Kohlendioxidgehalts im Körper. Dadurch werden die Muskeln ausreichend mit Sauerstoff versorgt.

Zwei gebräuchliche Atemtechniken im Sport sind die „rhythmische Atmung“ und „kontrollierte Atmung“:

  • Rhythmischen Atmung: Bei der rhythmischen Atmung wird in einem kontrollierten und rhythmischen Takt eingeatmet und ausgeatmet (beim Laufen z. B. 3 Schritte einatmen und 3 Schritte ausatmen).
  • Kontrollierte Atmung: Bei der kontrollierten Atmung atmet man tief in das Zwerchfell ein und dann langsam und vollständig aus. Das reguliert die Herzfrequenz und reduziert Stress- sowie Angstgefühle.

Es ist sinnvoll, dass Athleten ein eigenes funktionierendes Atemmuster finden und es je nach sportlichem Szenario zielgerichtet anwenden. Damit regulieren sie die Menge an Sauerstoff und Kohlendioxid im Körper und nehmen aktiv Einfluss auf eine angemessene Sauerstoffversorgung der Muskeln. Zudem bewirkt die Konzentration auf den Atmen, dass der Fokus weg vom Schmerzempfinden auf die sportliche Leistung und das sportliche Ziel gelenkt wird.


Quellen: vgl. Migliaccio (2023)

6. Fun Fact: Schmerz „aussprechen“ oder Fluchen

Eine weitere Möglichkeit, um sich über den Schmerz hinaus im Wettkampf oder Training zu „pushen“, liegt darin, seinen Trainings- oder Wettkampfschmerz auszusprechen. Dies führt dazu, dass die Schmerzwahrnehmung sinkt und im Gegenzug die Schmerztoleranz steigt. Eine Studie aus dem Jahr 2015 demonstrierte dies:

Aufbau
56 Studienteilnehmenden führten einen Kaltdrucktest durch, um ihre Schmerztoleranz zu messen. Beim Kaltdrucktest platzierten die Studienteilnehmenden eine ihrer Hände in einem Wasserbecken, welches mit 4 Grad kaltem Wasser befüllt war. Je länger sie die Hand im Wasser halten können, umso höher ist ihre Schmerztoleranz. Die zusätzliche Bedingung war, dass die Studienteilnehmenden ihren Schmerz mit einem Wort ausdrücken konnten.

Ergebnis
Es zeigte sich, dass diejenigen Studienteilnehmenden das 4 Grad kalte Wasserbad und den damit empfundenen Schmerz länger aushalten konnten, wenn sie ihrem Schmerz durch einen simplen Ausspruch Ausdruck verliehen, als wenn sie einfach nur schwiegen. Die am häufigsten verwendeten Worte der Studienteilnehmenden waren „Ouu“ und „Ouch“.

Stichwort: Fluchen und Schimpfworte
Eine weitere interessante Erkenntnis brachte eine Studie aus dem Jahr 2009 hervor: In dieser untersuchten Richard Stephens und sein Team, inwieweit Fluchen bzw. Schimpfworte Einfluss auf die Schmerzwahrnehmung und Herzrate haben. Hierzu nutzen sie ebenfalls den Kaltdrucktest und legten die Untersuchung so an, dass die Studienteilnehmenden wahlweise neutrale Worte oder ein Schimpfwort nutzen konnten, um ihren Schmerz auszudrücken.

Die Studie ergab, dass Teilnehmer, die Schimpfworte benutzten, eine höhere Schmerztoleranz aufwiesen als jene, die neutrale Worte verwendeten. Das Fluchen steigert nicht nur die Schmerztoleranz, sondern erhöht auch die Herzfrequenz und reduziert das Schmerzempfinden.


Quellen:
vgl. Swee & Schirmer (2015); vgl. Stephens, Atkins & Kingston (2009)


Resümee

Im Sport zeigen sich zahlreiche Beispiele, wie Athleten über ihre Schmerzgrenzen hinausgehen. Sie beweisen, wie zäh der Körper ist und zu welchen Höhen die mentale Stärke sie führen kann. Auf dem Weg zur sportlichen Spitzenleistung ist eine Auseinandersetzung mit dem „Gefühl Schmerz“ unabdingbar. Denn wie bei allen Sportarten sind die Bereiche des Extremen das Mass aller Dinge. Somit auch die Schmerzbereiche und -grenzen.

Feststeht: Ohne Schmerz geht es im Sport nicht – das betrifft das Training wie den Wettkampf. Dabei handelt es sich um einen bewussten und kalkulierten Umgang mit Schmerzen und Schmerzgrenzen. Auf diese Weise wird der Körper in Richtung des sportlichen Ziels und für die damit verbundene körperliche Belastung trainiert. In den meisten Fällen ist dies zunächst die Entwicklung eines starken Wettbewerbsniveaus.

Durch die überhöhte Beanspruchung und Ermüdung der Muskeln werden diese beschädigt, worauf der Körper den Schaden repariert und den Muskeln verstärkt. Dies sorgt auf natürliche Weise dafür, dass die persönliche Schmerzgrenze erhöht wird. Das ist der Grund, warum Athleten grundsätzlich mehr Schmerzen tolerieren können, als Nicht-Athleten.

Mit körperlichem Training wird ein Sport-Mentaltraining sinnvoll, um der körperlichen Leistungssteigerung die notwendige mentale Leistungssteigerung anzuschliessen. Die Schlüsselfähigkeit ist dabei, die Leistung mit und über den Schmerz hinaus zu steigern.

Positive Mentale Bilder
Positive mentale Bilder
helfen Athleten im schmerzhaften Belastungsmoment dabei, in einer für sie stimmigen mentalen Umgebung zu performen. Ihre Konzentration liegt dann zudem auf der sportlichen Leistung und wird vom Schmerz abgezogen.

Positive Selbstgespräche mit gezielten Suggestionen
Neben positiven mentalen Bildern ist auch
das positive Selbstgespräch mit gezielten Suggestionen eine wirkungsvolle Massnahme, um seine Leistung merklich zu steigern. Die Suggestionen sind kraftvolle Botschaften an sich selbst, um den gewünschten sportlichen (Ziel-)Gedanken in die Tat umzusetzen. Zudem aktivieren positive Worte und Gedanken die Motivationszentren im Gehirn an, was sich positiv auf die persönliche Resilienz, das eigene Selbstvertrauen sowie die persönliche Selbstwirksamkeit auswirkt.

Positive Gedanken
Positiven Gedanken und Worte sollten auch schon vor dem Training resp. Wettkampf erfolgen. Denn
positive Informationen vor der sportlichen Belastung steigern die Schmerztoleranz. Daher sollte man den Trainings- oder Wettkampfschmerz in einen positiven Rahmen setzen.

Fluchen
Neben dem positiven Selbstgespräch und positiven Informationen hilft
Fluchen sowie den Schmerz verbal auszusprechen. Wie Studien zeigen, lässt sich damit Schmerz länger aushalten, als wenn man schweigen würde. Ein „mentaler Kniff“ im Repertoire zur Ausweitung der Schmerztoleranz.

Ist-Profil und Ziel-Profil
Schriftliche Selbstreflexionen sind eine starke Möglichkeit, mental zu wachsen – auch in der Schlüsselkompetenz „Schmerztoleranz“. Besondere Vorteile der schriftlichen Selbstreflexionen sind:

  • Sie sorgen für Klarheit,
  • geben Struktur,
  • verschaffen Kontrolle über zukünftige Schritte und
  • machen einem Athleten die sportliche Entwicklung bewusst.

Eigenes funktionierendes Atemmuster
Durch ein
eigenes funktionierendes Atemmusters reguliert der Athlet seine körperliche Empfindung. Er nimmt aktiv Einfluss auf die Sauerstoffversorgung der Muskeln. Ferner bewirkt die Konzentration auf den Atem, dass der Fokus weg vom Schmerzempfinden auf die sportliche Leistung und das sportliche Ziel gelenkt wird.


Referenzen

Referenzen (Studien)

Referenzen (Literatur)

  • Boeckh-Behrens, W.-U. & Buskies, W. (2000). Fitness-Krafttraining. Die besten Übungen und Methoden für Sport und Gesundheit. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt Taschenbuch Verlag GmbH.
  • Healy, L. C., Tincknell-Smith, A. & Ntoumanis, N. (2018). Goal Setting in Sport and Performance. Oxford Research Encyclopedia of Psychology. Oxford University Press.

Referenzen (Artikel)